Beendet den Spuk!

Kaum eine Woche vergeht ohne Hiobsbotschaften aus der Strombranche. Unlängst kündigte Alpiq an, an die Hälfte ihrer Anteile annähernd Wasserkraftwerken zu verkaufen, da diese immer grössere Verluste schreiben. Kleineren Stromfirmen – auch Stadtwerken – geht es übrigens nicht besser. Gleichwohl setzt die Stromwirtschaft ein erstaunliches Lächeln auf, als sei nichts passiert. Dies irritiert, denn wie sollen die Stromverbraucher, die Bürger – wir alle – verstehen, was sich abspielt, und geeignete Lösungen unterstützen, wenn die Stromwirtschaft (entgegen der Behauptung jener, die sie nicht mögen) in der Tat leidet, ohne zu klagen?

Aus den USA kennen wir die sogenannte Porzellanladen-Regel: «If you break it, you own it.» Wer ein zum Kauf angebotenes Stück zu Bruch gehen lässt, muss dafür bezahlen. In Zeiten einer Energiewende-Politik gilt diese Regel für den Staat: Wenn er durch Strategien, Verbote, Vorschriften, Abgaben und andere massive Eingriffe den Strommarkt aus den Angeln hebt, dann muss er zur Verantwortung gezogen werden.

Dies geschieht zurzeit unter negativem Vorzeichen: Der Staat korrigiert die Schäden seiner Energiepolitik mit Mitteln, die weitere, noch grössere Schäden verursachen: indem er die Produktion von für die Versorgungssicherheit praktisch wertlosem Sonnen- und Windstrom mit Abgaben auf den Stromverbrauch fördert, indem er Grossverbraucher von dieser Abgabe befreit, nur um die übrigen Verbraucher umso stärker zu belasten, oder indem er den wegen früherer Markteingriffe in den Ruin getriebenen Wasserkraftwerken und, wie es inzwischen die Spatzen von den Dächern pfeifen, auch Kernkraftwerken finanziell unter die Arme greift.

Die Hauptursache für die tiefen Strommarktpreise ist Deutschlands Förderpolitik. Die Marktpreise sind deshalb so tief, weil die Subventionen so hoch sind. Die deutschen Verbraucher bezahlen für die geförderte Stromerzeugung jährlich 25 Milliarden Euro. Dafür erhalten sie Strom im Wert von 1,5 Milliarden Euro – die Differenz versiegt in einem ineffizienten Wirtschaftszweig. Neben dem «grünen» Strom kommen in Deutschland nur gerade die billigsten herkömmlichen konventionellen Kraftwerke zum Zug, die es zur sicheren Stromversorgung aber unbedingt braucht, allen voran Kohlekraftwerke.

Auch die schweizerischen Subventionen für Ökostrom richten grossen Schaden an. Grüne Stromversorger wie die Industriellen Werke Basel (IWB) geben zu, nur noch in die subventionierte Stromerzeugung zu investieren. Mit der gesetzlich erzwungenen Ökoabgabe auf dem Strom (KEV) werden allein dieses Jahr 843 Millionen Franken der freien Wirtschaft entzogen. Gemäss der Energiestrategie 2050 sollte es in Zukunft mehr als eine Milliarde Franken sein. Weitere Fördergelder vom Bund und von den Kantonen erhöhen die allgemeine Steuerlast. Im geschützten Bereich der Ökostrom-Erzeugung nisten sich dreist fordernde Branchen für Planung, Bau und Betrieb von Sonnen- und Windkraftanlagen ein. Landschaften werden verschandelt, die öffentliche Verwaltung wird vergrössert, demokratische Einspracherechte werden beschränkt, und das Risiko eines Blackouts steigt.

Die Energiepolitik steht tatsächlich vor einer Wende: Entweder sie verkeilt sich in der planwirtschaftlichen Sackgasse mit immer grösserem Schaden, oder sie beschliesst einen Kurswechsel und setzt der zerstörerischen Politik einer Energiewende integral ein Ende, indem sie die Elektrizitätswirtschaft von ihrer immer engeren staatlichen Umklammerung befreit und nur gerade dort Notmassnahmen ergreift, wo die Sicherheit der Landesversorgung in Gefahr ist.

In der Verantwortung steht nicht irgendeine Stromfirma, sondern der Staat und damit der Gesetzgeber. Er «besitzt» – in Anlehnung an die Porzellanladen-Regel – die Energiepolitik. Durch Ablehnung der ordnungspolitisch radioaktiven «Energiestrategie 2050» bei der Schlussabstimmung im Sommer kann er dem Spuk ein würdiges Ende bereiten.

>> zur Quelle (NZZ vom 24. März 2016)

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